Kindeswohl

von Ian McEwan

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  Roman    Drama    Religion    Tod 

"Das Kindeswohl, das Wohlbefinden eines Kindes ist etwas Soziales. Kein Kind ist eine Insel. Sie hatte geglaubt, ihre Verantwortung ende an der Tür des Gerichtssaals. Aber wie sollte das gehen?"

 

In Ian *schmeißt mit Fremdwörtern um sich* McEwans Kindeswohl geht es um die Richterin Fiona Maye, die im Familiengericht tätig ist und es oft mit schwierigen Fällen und moralischen Entscheidungen zu tun hat.
So musste sie in einer Rückblende zum Beispiel über dir Trennung siamesischer Zwillingsbabys entscheiden und dabei nicht nur die Rechtslage beachten, sondern oft auch enscheiden, was jetzt das kleinere Übel ist. Soll einer der Zwillinge vorsätzlich getötet werden, um dem Anderen bessere Chancen auf ein gutes Leben zu geben? Sollte man den Schwächeren am leben lassen, weil ihn töten grausam wäre?

Ein neuer Fall bringt Fiona ins Wanken. Ein 17-Jähriger Zeuge Jehovas Namens Adam ist an Leukämie erkrankt und verweigert aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion, die er zum Überleben bräuchte. Da er noch nicht volljährig ist, darf er diese Entscheidung aber nicht selbst treffen und hier kommen Fiona, sowie eine Sozialarbeiterin, Adams Eltern und Krankenhausmitarbeiter als Zeugen ins Spiel. Fiona lernt Adam persönlich kennen und beginnt, ihn zu mögen. Er ist ein aufgeschlossener, intelligenter und talentierter Junge, der noch ein tolles Leben vor sich haben könnte, allerdings ist er fest in seinem Glauben verwurzelt und überzeugt davon, dass er für Gott sterben muss. Man merkt deutlich, dass er von seinen Eltern und seiner Gemeinde beeinflusst und unter Druck gesetzt wurde. Er glaubt, entweder als Held zu sterben oder würdelos und von seiner Gemeinde und seiner Familie verstoßen weiterleben zu müssen.
Deshalb entscheidet sich Fiona dafür, dass Adam leben soll und er wird (mehr oder weniger) zur Behandlung gezwungen. Er nimmt in Kauf, dass ihm seine Selbstbestimmung und Würde genommen wird.
Adam erholt sich (seine Eltern sind zwar sauer und enttäuscht, verstoßen ihn aber nicht, wer hätte es gedacht) und scheint einsichtig geworden zu sein, denn er bedankt sich bei Fiona für ihr Handeln.
Zudem sind Adams Eltern froh, dass ihr Sohn am Leben bleibt ohne das sie Sündigen, denn Fiona (die hier schuldig gemacht wird) hat ja die Entscheidung getroffen.

Ganz nebenbei spielt sich noch ein Ehe-Drama zwischen Fiona und ihrem Mann ab, dass, wie ich finde, kein bisschen zur Handlung des Buches beiträgt. Vielleicht sollen diese Szenen Fiona menschlicher machen. dem Buch mehr Vielschichtigkeit geben oder darlegen, unter wie viel Druck sie steht. Man weiß es nicht.
Fionas Mann Jack ist gelangweit von der Ehe und bittet sie um die Erlaubnis, eine Affäre mit einer anderen (jüngeren) Frau einzugehen, womit sie natürlich nicht eiverstanden ist. Es gibt ein Zerwürfnis, und Fiona lebt ihr Leben vorerst alleine weiter.
Später näheren sich die beiden wieder an und als Jack erfährt, dass Fiona ein Verhältnis zu Adam aufgebaut hat (das ich insgesamt eher als mütterlich bezeichnen würde, auch wenn viele mir da widersprechen würden, aber von Fionas Seite gab es keinerlei sexuelle Anziehung und für Adam war sie auch eher ein Vorbild), wird Jack sauer deshalb. Die Doppelmoral ist zum kotzen. Jack darf Fremdgehen, aber Fiona darf sich nicht mit einem Klienten anfreunden? Naja.

Da das Buch hier aber noch nicht zuende ist, weiß man, da muss noch was passieren und ich ahne Schlimmes. 

Adam versucht immer wieder Kontakt zu Fiona aufzubauen, er fühlt sich verunsichert und ist in seinem Glauben und seinen Grundfestern erschüttert. 
Fiona geht darauf nicht ein, einerseits ist für sie der Fall erledigt, andererseits schämt sie sich für den einen flüchtigen Kuss, den Adam und sie ausgetauscht haben.
So übersieht Fiona auch die Selbstmorddrohung in einem seiner Briefe, da sie ihn nur überfliegt und zu zerstreut ist. Es kommt, wie es kommen muss und Adam lehnt bei einer erneuten Erkrankung die Behandlung ab. Er stirbt.
Es wird im Buch debattiert, ob Adams Tod nur eine Glaubensfrage war oder ob er Selbstmord begangen hat (was für mich eindeutig der Fall ist). Fiona ist von Letzterem überzeugt.

Die Handlungen (vor Allem die Entscheidungen, die Fiona in all ihren Fällen treffen muss, von denen noch mehr angerissen werden) sind sehr interessant und man überlegt beim Lesen, wie man selbst in so einer Situation gehandelt hätte. Fionas Entscheidungen sind nachvollziehbar und sie hat eine sympathische Persönlichkeit. Doch obwohl die Themen im Buch so emotional sind, kam mir McEwans Schreibstil teilweise sehr nüchtern vor, als würde man einen Zeitungsbericht lesen. Ein Fakt nach dem anderen. Zudem werden viele Fremdwörter und teilweise lange oder komplizierte Sätze eingesetzt, wodurch die Leserlichkeit nicht ganz so toll ist. Das Buch ist devinitiv nicht für jeden was und keine leichte Kost.
Trotzdem ist die Geschichte (mit all ihren heiklen Themen und moralischen Fragen nach einem guten Leben) spannend und regt zum Nachdenken an.

 

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